Freitag, 27. Januar 2012

Applaus, Applaus, Applaus!


Heute stieß ich auf einen Artikel in der "Augsburger Allgemeinen": Hw. Georg Oblinger, Pfarrer in Ichenhausen und derzeit in den Schlagzeilen durch bischöflich verhängtes Schreibverbot, untersagte im Vorfeld eines Konzerts in der Stadtpfarrkirche Sankt Johannes die Aufführung weltlicher Lieder und verbat Applaus zwischen den Stücken und nach dem Konzert.

Das wäre an und für sich nicht sonderlich bemerkenswert, denn jeder Konzertveranstalter muss mit dem Besitzer oder Verwalter eines Konzertortes bestimmte Absprachen treffen und Regeln einhalten. Das weiss auch jeder, der irgendwie in diesem Bereich tätig ist.

Pfarrer Oblinger hat diese Entscheidung zwar getroffen, hält sich dabei aber lediglich an einer von seiner Diözese herausgegebene Regel, die 2005 vom Bischof erlassen wurde. Nach diesem Regelwerk - und andere Bistümer haben ähnliche Regelungen erlassen - ist die Aufführung weltlicher Musik in Kirchen nicht gestattet (erstaunlich, oder? Für die Kirche hält die Kirche Kirchenmusik für angemessen). Zum Applaus wird geschrieben, dass dieser zwischen den einzelnen Stücken zu unterbleiben habe. Das ist eigentlich ohnehin Usus, aber leider ist festzustellen, dass die amerikanische Unsitte, zwischen allen Stücken - ja, zwischen einzelnen Sätzen eines größeren Werkes - zu klatschen, oder gar zu johlen und zu stampfen, immer mehr in unsere Kultur vordringt. Bemerkenswert ist freilich die Regelung für das Ende des Konzerts:
"Beifall am Ende eines Konzerts soll, wenn überhaupt, nur in gemessenem Abstand zur Musik gegeben werden, zum Beispiel nach einer Schweigeminute mit Glockengeläut."
Mein erster Gedanke hierzu war: Kopfgeburt! Was am Schreibtisch einen gewissen Sinn ergeben mag und auch irgendwie begründet werden kann, dürfte in der Praxis wohl kaum umzusetzen sein. Zu künstlich und - eben - verkopft ist diese Regelung. Da untersagt man den Applaus besser gleich ganz.

In Ichenhausen hat man eine - wie ich meine - gute Lösung gefunden: applaudiert wird nicht, sondern das Konzert endet mit feierlichem Glockengeläut. Ein guter und gangbarer Kompromiss.
Nun zeigt der Artikel der "Augsburger Allgemeinen" einige bemerkenswerte Randerscheinungen: der zuständige Musiker und die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, alle namentlich erwähnt, stellen sich offen hinter die Regelung, oder akzeptieren sie zumindest. Die PGR-Vorsitzende hat offenbar auch kein Problem damit, dass der Pfarrer nunmal der "Chef" ist.

Danach aber folgt das, was ein - im Sinne der Medien - gut geschriebener Artikel zu einem kirchlichen Thema immer braucht: anonyme Gemeindemitglieder bekommen ein Podium, um verschwörerisch zu raunen, es sei einmal irgendetwas gewesen, weshalb nun etwas anderes auch sei. Ins Detail muss man nicht gehen, denn wir wissen ja schon... (flüster, tuschel, rhabarber)

Nachdem hier der Boden bereitet ist, auf dem jede Verschwörung trefflich gedeihen kann, kommt - Überraschung! - der ebenso ominöse wie anonyme "Insider" zu Wort. Natürlich wird - auch das ist übliche Medienstrategie - noch nicht einmal erwähnt, in was der Insider eigentlich Insider sei: Kirchengemeinde? Pfarrgemeinderat? Chormitglied? Ichenhausener? Bayer? Mitteleuropäer? Mensch?

Die Definition eines "Insiders" ist bekanntlich sehr dehnbar...

Und er liefert auch gleich, was Leser von Schauerromanen, Groschenheftchen und Tageszeitungen von diesen Qualitätsmedien erwarten: Bischof Walter Mixa, seinerzeit Hirte der Diözese und von objektivst recherchierenden Journalisten und wohlwollenden Mitbrüdern im Bischofsamt im heroischen Kampfe gegen jegliche Fakten als Alkoholiker, Schläger und Despot geoutet, scheine wohl im Hintergrund seine Hände im Spiel zu haben. Beleg? Fehlanzeige. Natürlich. Aber man wisse ja schon... (verschwörerisches Augenzwinkern)

Selbstverständlich wird dann auch noch das Argument ausgebreitet, der Pfarrer sei einfach zu konservativ. In anderen Kirchen dürfe alles gespielt und auch applaudiert werden. Natürlich, und weil andere eine Bordsteinkante übersehen und hinfallen, eilen wir nicht zu Hilfe, sondern prosternieren aus Solidarität ebenfalls... Logik ist die Stärke jenes Arguments wahrlich nicht!

Ich will hier jetzt gar nicht in die leidige Diskussion um den Applaus in der Kirche einsteigen: dass Exzesse vermieden werden sollen, dürfte allen klar sein. Dazwischen wird man Kompromisse finden müssen. Für Applaus im Gottesdienst hat schon Joseph Ratzinger - unser heutiger Papst - sehr gute Worte gefunden:
"Wo immer Beifall für menschliches Machen in der Liturgie aufbricht, ist dies ein sicheres Zeichen, daß man das Wesen der Liturgie gänzlich verloren und sie durch eine Art religiös gemeinter Unterhaltung ersetzt hat.

Solche Attraktivität hält nicht lange; auf dem Markt der Freizeitangebote, der zusehends Formen des Religiösen als Kitzel einbezieht, ist die Konkurrenz nicht zu bestehen."
 Kurzer, dankbarer Applaus nach einem Kirchenkonzert - mit angemessenen Werken - muss nicht gleich zur Glaubensfrage gemacht werden. Mir ging es hier eher darum, auf die Art und Weise hinzuweisen, wie solche Fragen von der Presse instrumentalisiert werden.

Das ist mindestens ebenso ärgerlich, wie Applaus zur Unzeit. Schon die Überschrift über dem Artikel hätte der Redakteur ja neutraler formulieren können. Stattdessen wird schon hier subtil Stimmung zugunsten der im Untergrund verschwörerisch raunenden Kritiker gemacht, die in der Kirche ja sonst nirgendwo (hüstel) zu Wort kommen.

Hier sehen wir, dass eine große Keule das sorgfältige Zielen überflüssig macht. Treffer garantiert!

7 Kommentare:

  1. Sehr interessant - glasklar und engagiert! So stelle ich mir das vernünftige Vertreten der katholischen Überzeugung vor. Ich hoffe, in Zukunft mehr von Ihnen lesen zu können.

    Herzliche Grüße,
    Ihr
    Josef Bordat (jobo72)

    AntwortenLöschen
  2. Willkommen auch von mir!
    Bitte um die Fundstelle des Ratzinger-Zitats.

    AntwortenLöschen
  3. Das Zitat findet sich in Ratzingers Frühwerk "Der Geist der Liturgie", jetzt am Besten gleich im 11. Band des bei Herder verlegten Gesamtwerks "Gesammelte Werke", Freiburg 2008.

    In meiner Ausgabe von 2005 steht es auf S. 170f., dort in folgendem Zusammenhang:

    "Der Tanz ist keine Ausdrucksform christlicher Liturgie. Gnostisch-doketische Kreise haben ihn etwa im 3. Jahrhundert in die Liturgie einzuführen versucht. Für sie war die Kreuzigung nur Schein: Christus hatten den von ihm nie wirklich angenommenen Leib vor der Passion verlassen, und so konnte an die Stelle der Kreuzesliturgie der Tanz treten, weil ja das Kreuz nur Schein gewesen war. Die kultischen Tänze der verschiedenen Religionen haben unterschiedliche Richtungen - Beschwörungen, Analogiezauber, mystische Ekstase -; keine dieser Gestalten entspricht der inneren Richtung der Liturgie des "worthaften" Opfers.

    Vollkommen widersinnig ist es, wenn bei dem Versuch, die Liturgie "attraktiv" zu gestalten, Tanzpantomimen - womöglich von professionellen Tanzgruppen - eingelegt werden, die dann häufig (von ihrer Anlage her zurecht) in Beifall münden.

    Wo immer Beifall für menschliches Machen in der Liturgie aufbricht, ist dies ein sicheres Zeichen, dass man das Wesen der Liturgie gänzlich verloren und sie durch eine Art religiös gemeinter Unterhaltung ersetzt hat. Solche Attraktivität hält nicht lange; auf dem Markt der Freizeitangebote, der zunehmend Formen des Religiösen als Kitzel einbezieht, ist die Konkurrenz nicht zu bestehen.

    Ich habe erlebt, wie man den Bußakt durch eine Tanzdarstellung ersetzte, die selbstverständlich großen Beifall fand; könnte man sich von dem, was Buße wirklich ist, weiter entfernen? Liturgie kann nur dann Menschen anziehen, wenn sie nicht auf sich selber schaut, sondern auf Gott; wenn sie ihn eintreten und handeln lässt."

    AntwortenLöschen
  4. Dank und herzlichen Gruß in die Schweiz!

    AntwortenLöschen
  5. Für menschliche Gefühle wie z.B. begeisterung ist in der Kirche kein Platz. Kein Wunder dass sich die Menschen abwenden.

    AntwortenLöschen