Montag, 6. Februar 2012

Rahner und der Aquinate

Bildquelle: Wikipedia

Kürzlich hörte ich einen Pfarrer, promovierter Theologe, sagen, es gäbe zwei überragende Theologen in der Kirchengeschichte: den heiligen Thomas von Aquin und Karl Rahner. Er - also jener Pfarrer - habe auch gar keinen Zweifel, dass Rahner in nicht allzu ferner Zukunft zum Kirchenlehrer erhoben würde.

Ich musste mir mühsam eine Reihe recht unfreundlicher Kommentare verkneifen, vor allem die Anmerkung, warum man jemanden zum Kirchenlehrer erheben soll, der unklar, interpretierbar und so ausladend formulierte, dass sogar sein Bruder Hugo Rahner spottete, man sollte die Werke seines Bruders einmal ins Deutsche übertragen. Außerdem sehe ich doch mit einer gewissen Erleichterung, dass die große Zeit der von Rahner losgetretenen antropozentrischen Wende unter jungen Katholiken und jüngeren Klerikern durchaus kritisch hinterfragt wird. Vielleicht geht Rahners große Zeit bereits zuende, was Hugo Rahner übrigens genau so prophezeite.

Bei großen Lehrern der Kirche - egal, welchen Status sie formell einnehmen - kann man eigentlich immer verlässlich fragen, ob ihre Theologie für die Kirche ein unersetzbarer Schatz ist, oder ob man gute Theologie auch ohne diese Lehren betreiben kann. Im Falle des Aquinaten ist diese Frage längst beantwortet. Er hat seine Stellung in der Theologiegeschichte, er ist noch heute aktuell, und oft genug kann man über andere Erklärungsansätze auf Dinge stoßen, die Thomas längst präziser und schöner ausformuliert hat, als man selber es je könnte.

Es ist wohl noch zu früh, über Karl Rahner und die Folgen seiner Theologie ein gerechtes Urteil zu sprechen. Aber genau an dem zuletzt erwähnten Punkt ist für meine Begriffe der Unterschied auch in der Qualität deutlich festzumachen: was Thomas so schön und klar formuliert, dass man es glatt übernehmen kann, ist bei Rahner unter einem solchen Wortwust begraben, dass man die Theologie unter den Worten erstmal mühsam zusammenklauben und erklären muss. Kann man gute Theologie ganz ohne Rahner betreiben? Meine subjektive Meinung: Ja, man kann. Und zwar ohne größere Verluste.

Neben der Überbetonung des Menschlichen ist das für mich der größte Schaden der nachkonziliaren Theologie: die Aufgabe der logischen und präzisen Formulierung und Schlussfolgerung, und deren Ersetzung durch die Lust des Fabulierens.

Insofern ist es für mich schon fast Häresie, wenn man den Aquinaten und Karl Rahner in einem Atemzug nennt...

4 Kommentare:

  1. Na, die beiden passen ja "saugut" zusammen, wie die Faust aufs Auge ...

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  2. Leider sieht man Rahner an den meisten theologischen Fachbereichen wirklich als Kirchenlehrer. Während Rahner besonders in der Dogmatik rauf und runter dekliniert wird, muss man Thomas mit einem Mikroskop suchen. Wobei ich persönlich Thomas in Latein (und so richtig toll ist das nicht) immer noch besser verstehe als Rahner in Deutsch.

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  3. Warte mal...Karl Rahner...ist das nicht der unbedeutende Bruder des großen Hugo Rahner? ;)

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  4. Während der ersten zehn Nachkonzilsjahre wurde Rahner, selber tief beeindruckt von Teilhard de Chardin SJ (+ 1955), für etliche Theologen zur Symbolfigur einer modernen Theologie. Der kritische Gehalt seiner Äußerungen fand dabei weit mehr Beachtung als seine konstruktiven Skizzen. Auch die meisten Kritiker halten das ursprüngliche Anliegen, die katholische Dogmatik aus der begrifflichen Enge jesuitischer Theologie des 19. Jahrhunderts herauszuführen, weiterhin für berechtigt, insbesondere in der Konfrontation mit den heutigen Geisteswissenschaften. Doch vor allem die Rezeption des Spätwerks scheint überaus schwierig, in Teilen gar fahrig. Karl Rahner deshalb ingesamt zu verurteilen, wird seinem Werk nicht gerecht.

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